Und jetzt die Werbung:
Lesebühnen - eine großartige Erfindung. Hab ich in Berlin kennen gelernt.
Da ich ja nur noch selten in Berlin bin fehlt mir da doch was. Aber zum Glück gibts da auch was von Ratio... - Quatsch, zum Glück gibts da auch was gedrucktes und ins Netz gestelltes:
Den Salbader.
Erstellt von Leuten, die, na wo? Ja, in Berlin auf verschiedenen Lesebühnen stehen.
Zum Beispiel auch Kirsten Fuchs.
Foto von ©gottfried
Und weil ich so gelacht habe gibts hier einfach mal den tollen Text Liebeskummer von ihr.
(Kirsten, wenn´s dir nicht passt dass der ohne zu fragen hier steht, gib Bescheid und ich lösche ihn wieder.)
Kirsten Fuchs: Liebeskummer
Guten Tag! Ich habe Liebeskummer! Die Diagnose ist eindeutig. Alles weißt darauf hin. Ich habe tagsüber kein Hunger und Abends auch nicht, auch nachts hab ich kein Hunger aber Appetit. z.B. auf Eis, also gehe ich zur Tankstelle und kaufe mir soviel Eis, daß ich denke, daß es reichen wird, bis er sich doch in mich verliebt hat. Dann kucke ich Quincy und esse das ganze Eis auf. Also gehe ich noch mal zur Tankstelle und kaufe nochmal Eis und Cola und zwei Männerzeitschriften, vielleicht kann ich dann ahnen, was Männer denken. Denn es ist ein Gerücht, daß Männer leichter zu verstehen sind als Frauen. Männer sind die viel schlimmeren Frauen. Ich lese die Zeitschriften und esse das Eis auf. Danach weiß ich, wie man Frauen wirklich zum Höhepunkt bringt und das probiere ich gleich aus. Klappt natürlich, ich bin aber auch gut im Bett. Schlafen kann ich trotzdem nicht. Ein klares Anzeichen, alles spricht für Liebeskummer.
Dabei wußte ich nicht mal, daß ich ihn liebe, bis er mir gesagt hat, daß er mich nicht liebt. Ich kann nicht schlafen. Ich werfe die Cola um, als ich auf Klo schlurfe. Die Flasche habe ich offengelassen und jetzt habe ich wenigstens was zu tun, nachts um Fünf. Ich wische meine Wohnung. Wie tief bin ich gesunken? Wegen eines Mannes. Es ist aber auch nicht irgendein Mann. Es ist der Mann, bei dem man von Anfang an ein gutes Gefühl hat. Beim Kennenlernen, beim Besserkennenlernen, sogar beim Korbbekommen. Ich hab noch nie einen so netten Korb bekommen, der ganze Korb voller Obst und Blumen. Um Sechs kann ich endlich schlafen und um Acht klingelt ein junger Mann an meiner Tür, der behauptet, daß ihm sein Keilriemen gerissen wäre und der Hausmeister sei nicht da und er fragt, ob ich ihm vier Euro neunundneunzig borgen kann. »Ich bin arbeitslos!« sag ich zu ihm »Ich esse püriertes Wasser. Und selbst das ist nur Instantwasser.«
Dann knalle ich die Tür zu und davon werde ich erst richtig wach. Mein Herz wird auch wach und fängt sofort an weh zu tun. Ich hab mir schon Sorgen gemacht. Ich dacht ich bin tot. Aber jetzt tut es wieder weh. Gottseidank. Und dann heule ich bis ich so ausgetrocknet bin, daß ich knistere. Ach nein, das ist die Zeitung, auf der ich schlafe, weil, weil, ja warum eigentlich? Das ist eben die Zeitung, auf der ich schlafe. Ich komme mir verwahrlost vor, schlafe aber wieder ein, träume, er ißt mein Herz und trinkt Rotwein dazu. »Das ist ja gar nicht durch!«, sagt er zu mir und dann wache ich auf. Ich bin total verschwitzt. Die Druckerschwärze der Zeitung hat dem nicht standgehalten und so stehen auf mir Filmkritiken und Veranstaltungstips.
Ich schlurf in die Küche und finde im Flur einen angebissenen Toast. Den heb ich auf, klopf mit ihm gegen die Badtür, um zu kucken, wie hart er ist. Geht noch. Warum hab ich den denn nicht aufgegessen? Ich mach mir Tee und starre auf den Toast. Mein Körper will den nicht. Der Toast und ich kämpfen miteinander. Der Toast gewinnt, angenommen es war seine Absicht nicht gegessen zu werden. Ich beiße nur einmal ab und lege ihn wieder in den Flur. Dann verbringe ich den Tag damit zu hoffen, daß er anruft - obwohl er meine Telefonnummer nicht hat - und ab und zu den Hörer ans Ohr zu halten, um zu kucken, ob das Telefon noch geht. Ich schreibe ein richtig schlechtes Liebesgedicht. Als Muse taugt er überhaupt nicht. Küssen will er mich ja sowieso nicht.
Nachmittags finde ich den kalten Tee in der Küche und trinke ihn. Davon bekomme ich Durchfall. Ich sprühe danach großzügig Raumspray ins Bad, Tannenduft. Jetzt riecht es, als hätte jemand in den Wald gekackt.
Dann wasche ich mein bißchen Geschirr ab, hauptsächlich weil meine Hände kalt sind und ich auch keine Lust habe, neues Geschirr zu kaufen, nur weil das alte schmutzig ist. Als ich fertig bin, will ich den Stöpsel ziehen, aber der liegt auf dem Waschbeckenrand. Ich wühle im dreckigen Wasser und puhle einen Pfropfen Spaghettireste aus dem Ausguß. Ich komme mir so einsam vor. Gleich muß ich wieder heulen. Nich heulen, sag ich zu mir. Versuch doch einfach mal dein Wasser zu halten. Ich will Eis. Eis ist natürlich alle und einkaufen kann ich nicht gehen, falls er anruft, obwohl er meine Telefonnummer nicht hat. Ich renne wie auf Entzug durch die Wohnung. Danach blätter ich noch ein bißchen in der Männerzeitschrift und mache so einen Ankreuztest. Wie gut verstehen sie Frauen? Das klingt ja schon so, als müsse man versuchen, extra wenig Punkte zu bekommen, sonst hat man verloren. Sie sind ein Frauenversteher. Sie haben verloren. Setzen sie drei Felder zurück und fangen sie vor ihrer Pubertät von vorne an. Der Test beinhaltet die Deutung schlechter Fotos. Was glauben sie, was diese Frau gerade denkt. A. Er kommt schon wieder zu spät. B. Er kommt schon wieder zu früh. C. Er kommt mir so bekannt vor.
Ich glaube ja, die Frau auf dem Foto denkt: Wie lange soll ich denn noch mit eingezogenem Bauch und leidender Miene an diesem Scheiß-Thonetstuhl lehnen für das bißchen Geld. Aber diese Antwort gibt es nicht. Ich habe anscheinend nicht soviel Ahnung von Frauen. Aber Hopfen und Malz sind bei mir nicht verloren, denn ich habe ja immerhin den Ankreuztest gemacht und somit bewiesen, daß ich willens bin, das schöne Geschlecht zu verstehen. Jaja, das schöne Geschlecht. Ich spiel mir ein bißchen am schönen Geschlecht und finde es doof ohne das starke Geschlecht. Ich überlege, ob ich doch etwas unternehmen sollte. Kino oder so. Leider kann ich das Kinoprogramm auf meinem Rücken nicht sehen. Ich gehe stattdessen meine Hausbar durch und trinke halbleere Likörflaschen aus. Ordnungtrinken nenne ich das. Mir geht’s so schlecht. Ich hab definitiv Liebeskummer. Da brauch ich kein Arzt zu. Das sieht ja ein Blinder mit Krückstock.
PS: Lesebühnen gibts mittlerweile auch hier in Frankfurt/W, nämlich die Lesebühne Ihres Vertrauen, die in der Regel im Ponyhof stattfindet.
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